Claude-Hélène Mayer, Prof. Dr.

Psychologie, Ethnologie

Aktuelle Arbeitsschwerpunkte: Professorin für Industrial and Organisational Psychology an der University of Johannesburg, South Africa, und Privatdozentin an der Europa Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), Deutschland.

Sie ist dreifach promoviert (Pssychologie, Management und Ethnologie) und habilitiert im Fach Psychologie mit Schwerpunkt Arbeits-, Organisations- und Kulturpsychologie.

Des Weiteren ist sie als Mediatorin, Beraterin und systemische Therapeutin in transkulturellen Arbeits- und Familienkontexten international tätig.

Ihre Forschungsschwerpunkte sind: transkulturelle Gesundheit und Salutogenese, transkulturelle Mediation und Konfliktlösung, Arbeit 4.0, Frauen in Führung, Scham, Psychobiographie.

www.interkulturelle-mediation.de

www.pctm.de


Kapitel: „Psychologische Grundlagen und Theorien“


Endlichkeit aus kulturspezifischen, psychologisch-philosophischen Perspektiven: ihre Wirkung auf ein verantwortungsvolles transkulturelles Handeln

Diskurse zu Leben und Tod und dem Umgang mit diesen Konzepten gibt es in allen Kulturen. Wie Leben und Tod jedoch aus kultur-spezifischer, psychologisch-philosophischer Perspektive begriffen, diskutiert, antizipiert und im Alltag implementiert werden, erweist sich in kulturellen Perspektiven als sehr unterschiedlich. Entsprechend sind mit den kulturellen Einsichten auf Leben und Tod auch diverse Konsequenzen für den Lebenssinn, das weltliche Leben und die Menschheit inbegriffen.

In diesem Kapitel soll es darum gehen, zwei kulturspezifische Diskurse aus transdisziplinärer Perspektive zu betrachten. In der existentialistischen Psychologie spielt die Terror-Management-Theorie eine besondere Rolle, wenn es darum geht das Handeln von Menschen zu erklären. Hier wird angenommen, dass das Handeln des Menschen in existentialistischer Perspektive immer begründet ist in Werten und Wertekonflikten, die mit Sinnhaftigkeits- und Freiheitsdiskursen, Kohärenz und letztlich der bewussten und unbewussten Angst vor dem Tod zusammenhängen. Entsprechend wird davon ausgegangen, dass der Tod und die Endlichkeit vorwiegend im Alltag verdrängt werden. Dieser Verdrängungsmechanismus hat weitreichende Konsequenzen für das (verantwortungsvolle) Handeln von Menschen im Blick auf individuelle, soziale, ökologische und ökonomische Prinzipien. Leben und Tod werden differenziert als zwei sinngebende Aspekte, jedoch nicht unbedingt integrierte Konzepte, um die Angst vor der Endlichkeit zu relativieren.

Aus afrikanisch-philosophischer Perspektive stellt sich die Auseinandersetzung mit Leben und Tod, und somit Endlichkeit, kulturspezifisch anders dar. Unterschiedliche theoretische lebensphilosophische Annahmen und Konzepte beruhen in afrikanischen Kontexten darauf, dass das Leben nur sinnhaft ist, wenn die Endlichkeit als integraler Bestandteil des Lebens in den Blick genommen wird. Leben und Tod sind grundlegende, integrierte Konzepte eines sinnhaft zu füllenden Lebens, ersten im Kontext von Gott, zweitens im Zusammenhang eines „lebendigen Lebens“, drittens in positiven Interaktionen mit anderen Menschen und viertens in der Idee „perfekt“ als menschliches Wesen zu werden. Alle vier Aspekte eines sinnhaften Lebens erreichen ihre volle Sinnhaftigkeit durch das Bewusstsein, dass das Leben endlich und dass die Endlichkeit ein Teil des Lebens ist.

Das Kapitel zielt darauf ab, die beiden gewählten kulturspezifischen existentialistischen Perspektiven darzustellen und sie im Blick auf ihren Umgang mit Leben, Tod und Endlichkeit hin zu besprechen und zu überprüfen, welche Konsequenzen diese beiden unterschiedlichen Sichtweisen auf das (un-)bewusste verantwortungsvolle, sinnhafte Handeln des Menschen haben. Am Ende des Textes steht ein Fazit zur Sinnhaftigkeit und Wirkung kulturspezifischer Diskurse im Blick auf Leben, Tod und Endlichkeit. Ein Ausblick wird gegeben, wie eine Auseinandersetzung mit und Integration von kulturspezifischen psychologisch-philosophischen Diskursen auf theoretische und praktische Weise positiv beeinflussen können, um Bewusstsein zu schaffen für ein verantwortungsvolles Handeln im Kontext von Lebens- und Endlichkeitsdiskursen.