Doris Kreinhöfer, M.A.

Foto: G2 Baraniak

Soziologin & Vertreterin Körber-Stiftung

Aktuelle Arbeitsschwerpunkte: Programmleiterin bei der Körber-Stiftung in Hamburg, Bereich Alter und Demografie. Arbeitsschwerpunkt: Herausforderungen der demografischen Entwicklung hinsichtlich des Lebens im Alter, Vulnerabilität im Alter.

Nach einer Ausbildung in der Krankenpflege Studium der Soziologie und Sprachwissenschaften an der Universität Hamburg. Leitende Tätigkeiten in verschiedenen Hamburger Pflegebetrieben, Weiterbildung zur Pflegeberaterin und Pflegedienstleitung, außerdem zur Verfahrenspflegerin.

Seit 10 Jahren Projekttätigkeit für die Körber-Stiftung, seit 2018 Leitung des Programmes Leben mit dem Tod. Doktorandin an der Justus-Liebig-Universität Gießen.


Kapitel: „Auf ein Sterbenswort: Wie kann die Gesellschaft den Tod ins Leben holen? Bericht über ein Programm der Körber-Stiftung.“


Die Babyboomer werden alt. Nachdem sie sich in Klassenräumen gedrängelt, die Universitäten bevölkert und Ausbildungsplätze haben rar werden lassen, wird diese größte in Deutschland je dagewesene Kohorte in absehbarer Zeit sterben. Diese Generation hat wenig Berührung mit dem Sterben und dem Tod gehabt. Oftmals ist der Tod der Eltern – erst im eigenen höheren Alter erlebt – der erste Kontakt.

Diese Generation hat wenig über dieses Thema gesprochen. Und dennoch ist das Thema Tod allgegenwärtig. Jeden Abend sind Tote durch Morde und Katastrophen im Fernsehen zu sehen. In Diskussion und Medien hören und sehen wir von Toten durch die COVID-Pandemie oder durch Flutkatastrophen. Da, wo wir den Tod „erleben“, ist er in dramatischer Situation eingefangen, die vom Schrecken begleitet ist.

Das „normale“ Sterben ist aus dem Blickfeld geraten. Die Gesellschaft hat verlernt, mit diesem und der Normalität der Endlichkeit umzugehen. Doch Menschen sterben. Diese unumstößliche Tatsache begleitet seit jeher jedes Menschenleben. Während es für andere zentrale Lebensthemen Sprach- und Verhaltenscodes gibt, herrscht im deutschen Kulturraum angesichts des Todes oft Sprachlosigkeit. Wie soll, wie kann man über etwas sprechen, das besetzt ist mit Angst und Unsicherheit, mit Schmerz, Trauer und Verlust? Doch das kollektive Schweigen erschwert es den Sterbenden und dem Umfeld, einen souveränen Umgang mit dem Tod zu finden und selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen.

Es gibt also eine Reihe guter Gründe, weshalb es für eine Gesellschaft hilfreich ist, mit Sterben und Tod umzugehen – und gut umgehen zu können. Man kann durchaus von einem Mehrwert sprechen – in individueller wie gesellschaftlicher Hinsicht.

Doch wie kommen wir dorthin? Wie kann auf den Mehrwert aufmerksam gemacht werden? Wie kann Auseinandersetzung mit der Endlichkeit gefördert werden in einer Gesellschaft, die auf Wachstum ausgerichtet ist und wo vor allem Leistungsfähigkeit und Erfolg zählen?

Was braucht die Gesellschaft, was braucht der Einzelne, um sich einem Thema zu nähern, dass durch Abwesenheit zu einem häufig angstbesetzten Thema geworden ist?

Der Text greift unter anderem auf Daten aus der Studie Auf ein Sterbenswort. Wie die alternde Gesellschaft dem Tod begegnen will zu, die 2020 vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, der Software AG-Stiftung und der Körber-Stiftung herausgegeben wurde.

Mit ihrem Projekt Leben mit dem Tod will die Körber-Stiftung helfen, Sprachlosigkeit zu überwinden und zu einem bewussten Umgang mit der eigenen Endlichkeit ermutigen. Der Text gibt Auskunft darüber, wie das geschieht und welche Erfahrungen damit gemacht werden konnten.