Richtiges Delegieren – Der Angehörige als unterstützender Koordinator

Es sind sehr unterschiedliche Rollenerwartungen, die sich an den verantwortlich fühlenden Angehörigen richten. Was muss ich selbst machen, wieviel Einsatz möchte ich dabei erbringen, was wird von mir erwartet und was kann ich delegieren? Das Folgende zeigt auf, wie ein Familienmitglied oder ein Pflegebeauftragter (Caregiver) als unterstützender Koordinator (Scout) die betroffene Person wirkungsvoll begleiten kann.

Problemstellung und Motivation

Ziel des Angehörigen/Caregiver ist es ein Familienmitglied so zu unterstützen, dass dessen Lebensqualität und Teilhabe am Leben bestmöglich erhalten bleibt. Dabei sollen die individuelle Situation und Lebenslage berücksichtigt werden. Deutlich wird, dass hilfreiche Unterstützung auch aus der Ferne möglich ist.

Wie kann die Gelingen?

Indem die koordinativ unterstützende Funktion des Angehörigen/Caregiver Schritt für Schritt durch Informationen und praktische Hilfestellungen ausgebaut und gestärkt wird.

Hintergrund

Um den Betroffenen sinnvoll zu unterstützen benötigt man als Angehöriger/Caregiver bestimmte Fähigkeiten:

  • Solche die dessen Wissen und Informiertheit betreffen
  • Emotionale (z.B. mit Sorgen und Ängsten umzugehen)
  • Koordinative (z.B. unterschiedliche Termine abzustimmen)
  • Soziale (z.B. unterschiedliche Personen und Interessen einbinden)
  • Verhalten bzw. praktische Fähigkeiten

Diese Kompetenzen sind nicht allein Angeboren sondern lassen sich gezielt entwickeln. Durch die richtige Information und Anwendung von geeigneten Hilfen kann ein Angehöriger/Caregiver sich gut vorbereiten und die Versorgung auch in der letzten Lebensphase unterstützen.

Die Erfahrung zeigt, dass sich die koordinative Kompetenz als besonders wichtig darstellt. Es ist nicht immer möglich alle Aufgaben selbst zu erledigen, alle Termine wahrzunehmen, Experte in allen Felder zu sein etc. Somit muss der Angehörige/Caregiver sich auf das Wesentliche konzentrieren und hierzu gehört auch zu delegieren.

Maßnahmen

Beim Delegieren betrifft insbesondere folgende Handlungsfeldern:

  1. Unterstützung von Familienangehörigen und Besuchen in der Pflegeeinrichtung
  2. Zusammenarbeit mit dem Hausarzt und anderen Helfern
  3. Unterstützung im täglichen Lebens des Heimbewohners

Auf diese Handlungsfelder wird jetzt ausführlicher eingegangen.

Unterstützung von Familienangehörigen in der Pflegeeinrichtung

Große Bedeutung für das Wohlergehen des Familienmitgliedes hat auch dessen soziale Einbindung. Unabhängig möglicher körperlicher oder geistiger Einschränkungen liegt hier ein Schlüssel zum Lebensglück.

So sollte alles getan werden, um dem Familienmitglied Kontakte und Besuche auch von außerhalb der Einrichtung zu erhalten.

Über die nächsten Angehörigen hinaus, ist es hilfreich den Kontakt zu Kindern und jungen Familienmitgliedern, aber auch zu Freunden und zu Bekannten zu erhalten. Oft besteht das Problem der Entfernung bzw. fehlenden Anfahrmöglichkeit etwa aufgrund fortgeschrittenen Alters des Besuchers. So sollte der koordinierende Angehörige/Caregiver prüfen ob und wie ein (familiärer) Fahrdienst organisiert werden kann. Die Erfahrungen zeigen, dass auf Seiten der Besucher Kontaktängste (kann ich dahingehen?) oder auch Vorurteile (ich störe und kann nicht helfen) bestehen. Einschätz-ungen, die sich rasch als unberechtigt erweisen.

Vielfach besteht - auch bei den Verwandten und Freunden - eine „Schwellenangst“ - Ermutigung lautet hier die Zauberformel.

Manche Vereine und Kirchengemeinden in denen der Betroffene Mitglied war achten auf ihre Mitglieder und es ist selbstverständlich, dass diese auch Kontakt in ein Pflegeheim halten. Andere muss man hierzu ermutigen und unterstützen. Manchmal auch ein wenig in die Pflicht nehmen.

Erfahrungen zeigen, dass wenn der koordinierende Angehörige aufmerksam und nachhaltig unterstützt, die sozialen Kontakte bis in die letzten Lebenstage erhalten bleiben können.

Auch auf professionelle Besucher und Kontaktpersonen soll hingewiesen werden. Hierbei kann sowohl an die Friseurin (Barbier) und Kosmetikerin, als auch der Fußpfleger, einen Vorleser, Laienhelfer caritativer und bürgerschaftlicher Organisationen und auch an andere Vermittler „alter Gewohnheiten“ gedacht werden. In aller Regel werden solche Dienstleistungen auch durch die Einrichtung angeboten, aber es kann für den Bewohner sehr angenehm sein, „eigene Kontakte“ auch weiterhin zu unterhalten.

Zusammenarbeit mit dem Hausarzt anderen Helfern

Sehr wichtig ist eine gelungene Zusammenarbeit mit dem Hausarzt des Bewohners. Auch die Pflegeeinrichtungen ist hieran sehr interessiert. Die Alltagsrealität zeigt, dass hierfür in der Regel einiges getan werden muss:

Bereits in der Planung einer Heimaufnahme, spätestens in den Tagen danach, sollte der koordinierende Angehörige einen (Telefon) Termin mit der Praxis vereinbaren, um das Vorgehen der hausärztlichen Betreuung abzustimmen.

Für zahlreiche Hausärzte ist der Heimbesuch eine „Komplikation“ in ihrem normalen Arbeitsleben. So ist es für diese durchaus hilfreich, wenn sie mit einem verlässlichen (weil organisierenden) Angehörigen zusammenarbeiten können.

Mit dem Hausarzt zu klären sind vor allem zwei Punkte:

  • Wie oft dieser routinemäßig kommt (Pro Quartal ein Besuch ist hilfreich)
  • Wie bei Krankheit oder Notfall die Einbindung erfolgt (Ein Notfallplan ist hilfreich)

Manchmal muss ein neuer Hausarzt gesucht werden. Hier kann die Empfehlung der Einrichtung (Leitung oder Heimbeirat) oder der eigenen Krankenkasse eingeholt werden.

Ähnliches gilt auch für den Zahnarzt und andere Helfer. Es gibt inzwischen in allen Städten Zahnärzte und Therapeuten, die auch in die Pflegeeinrichtungen kommen. Zahn- und Mundgesundheit sind sehr wichtig.

Klärung und Ermöglichung wichtiger und auch alltäglicher Dinge

Von besonderer Bedeutung sind die Themen Patienten-/ Bewohnerverfügung und Testament. Das sind Festlegungen, die den Willen des Patienten ermitteln und in eine schriftliche Form bringen. Auch was dessen letzte Lebensphase betrifft.

In den Heimen wird seit einiger Zeit das Verfahren der „vorausschauenden Lebensplanung“ (auch häufig "Advanced Care Planning" genannt) zur Anwendung gebracht. In diesem werden Ziele und Vorgehen in der letzten Lebensphase mit Betroffenen und Angehörigen besprochen.

Auch wenn dies nicht nötig ist, kann sich der Angehörige auf das Gespräch vorbereiten, etwa in dem er sich über das Verfahren informiert. Ähnlich wichtig ist es, dass ein Bewohnertestament angestrebt wird.

Unabhängig davon können durch den Angehörigen auch lebenspraktische Dinge geklärt oder ermöglicht werden:

  • Wie soll es mit einer Vereinstätigkeit oder einem Hobby weitergehen?
  • Wie soll es mit dem Garten, dem Auto, einem Haustier weitergehen?
  • Gibt es Konflikte oder Ärgernisse die zur Klärung gebracht werden können?
  • Womit soll nochmals Kontakt aufgenommen werden (Fotoalbum, einem Gegenstand, einer Erinnerung)?

Zusammenfassung

Den drei Handlungsfeldern gemeinsam ist, dass diese eines stetigen Einsatzes und Pflege bedürfen.

Kontinuität, Durchsetzungsklugheit, Informiertheit und Freundlichkeit – so erreicht man am besten wirkungsvolle Unterstützung.

Dieses Vorgehen schützt einen selber auch am ehesten vor Überbelastung und Stress.

Bemerkenswert ist, dass sie die beschriebenen Tätigkeiten weitestgehend von zu Hause mit Hilfe ihres Telefons und eines Plans umsetzen können. Dies kann den eigenen Besuch nicht ersetzen, zeigt aber auf, was auch aus der Ferne möglich ist. Sozialer Zusammenhalt und Verantwortung können auch so organisiert werden.

Nächste Schritte

Als koordinierender Angehöriger/Caregiver ist es wichtig, sich selber frühzeitig unterstützen zu lassen. Wer kann Sie wobei unterstützen?

  1. Es ist hilfreich, wenn Sie ein Familienmitglied oder Freund finden die sich mit dem „Internet“ auskennt, so dass Sie dies für ihre Aktivitäten zusätzlich nutzen könnten.
  2. Es ist hilfreich, wenn Sie ein Familienmitglied oder Freund identifizieren der den Fahrdienst übernehmen bzw. organisieren würde.
  3. Es ist hilfreich, wenn Sie ein Familienmitglied oder Freund identifizieren, der sich mit „Ämtern“ bzw. „Schriftlichem“ auskennt.
  4. Prüfen Sie ob Sie einen „Vertreter“ für sich aufbauen können. Dies kann ein weiteres Familienmitglied oder auch ein Freund sein. Es gibt aber auch professionelle Pflegebegleiter/Caregiver, die in ganz ähnlicher Weise arbeiten

Auch wenn es unmöglich klingt: gehen Sie als koordinierender Angehöriger so vor, dass auch Sie ersetzbar sein könnten.