Betreuungsrecht I: Vorsorgevollmacht

Was ist eine Vorsorgevollmacht?

Mit einer Vollmacht lassen sich nach dem deutschen Recht ein/mehrere Vertreter bestimmen, der/die im Falle einer Notsituation entsprechend Ihrem Willen handeln soll/sollen. Der Bevollmächtigte wird somit zum Vertreter Ihres Willens, auch in Rechtsgeschäften. Vorraussetzung für die Wirksamkeit einer Vollmacht, wie bei allen erteilten Vertretungsmachten, ist die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers [2, 3].

Oftmals herrscht der Irrglaube, dass Angehörige im Fall einer Handlungsunfähigkeit sofort in allen Angelegenheiten für den Betroffenen sorgen können. Dies ist jedoch ohne eine Vorsorgevollmacht nur bedingt möglich. Ohne diese wird über das Betreuungsgericht ein gesetzlicher Betreuer bestimmt. Dieser kann ein Angehöriger sein, jedoch ebenfalls wildfremde Personen sind als Betreuer möglich [2]. Mit der Vorsorgevollmacht, lässt sich ein gesetzlicher Betreuer vermeiden.

Wofür brauche ich eine Vorsorgevollmacht ?

Eine Vorsorgevollmacht dient der Bestimmung eines rechtlichen Willensvertreters. Sie kann in verschiedenen Notsituationen wirksam werden. Beispiele sind die Entstehung von psychischen Erkrankungen oder Behinderungen, wie nach einem Schlaganfall [2, S.8].

Die Anfertigung bietet den Vorteil, dass der Vertreter von Ihnen selber ausgesucht wird. Somit kennt er Ihre Wünsche und Ängste und kann entsprechend handeln. Der Bevollmächtigte kann Sie nach dem Notfall auch sofort vertreten kann. Dies gilt im Gegensatz zu anderen Vollmachten auch vor Gericht. Somit fällt die Regelung eines gesetzlichen Betreuers und der Gang zum Anwalt weg. Das kann eine enorme Erleichterung für Angehörige sein. So müssen sie sich nicht in dieser schwierigen Situation um Formulare zur Betreuung kümmern.

In welchen Bereichen gilt die Vorsorgevollmacht nicht?

Oftmals wird eine Vorsorgevollmacht in “allen Angelegenheiten” erstellt. Diese ist jedoch in folgenden Situationen ungültig [2, S. 35]:

  • medizinische Behandlung, bei der Lebensgefahr besteht
  • bei Ablehnung oder Widerruf ärztlicher Maßnahmen, wenn dadurch Lebensgefahr besteht. In solchen Situationen muss trotzdem eine Lebenserhaltende Maßnahme durchgeführt werden.
  • wenn eine geschlossene Unterbringung, Zwangsmaßnahme oder freiheitsberaubende Maßnahme (z.B. Bettgitter) notwendig ist
  • Organspende

Diese Punkte benötigen eigene Bevollmächtigungen. Der Vollmachtgeber muss direkt darauf verweisen, dass der Bevollmächtigte beispielsweise über eine Organspende bestimmen darf. Sonst wird die Aussage des Bevollmächtigten nicht beachtet.

Ebenfalls spezielle Forderungen gibt es für Immobiliengeschäfte, wie den Kauf oder Verkauf eines Hauses oder einer Wohnung.

Die Vorsorgevollmacht gilt auch nicht bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften. Diese sind beispielsweise die Eheschließung, das Verfassen oder Annehmen eines Testamentes oder der Abschluss eines Erbvertrages. Solche Fälle müssen persönlich wahrgenommen werden. [1]

Welche Form hat die Vorsorgevollmacht?

Die Vorsorgevollmacht ist formfrei. Eine schriftlich ausgearbeitete Vorsorgevollmacht ist aufgrund der Nachvollziehbarkeit sinnvoll. In bestimmten Bereichen (Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen, gerichtliche Angelegenheiten, etc.) ist die schriftliche Form sogar notwendig. Damit die Vorsorgevollmacht geltend wird, brauch es nur Ihre Unterschrift und die Unterschrift des Bevollmächtigten. Eine notarielle Beglaubigung ist dabei nicht notwendig, kann jedoch teilweise sinnvoll sein. Der Notar kann prüfen, ob der Vollmachtgeber zu diesem Zeitpunkt noch geschäftsfähig ist. Eine solche Beglaubigung kann spätere Zweifel, beispielsweise wenn der Vollmachtgeber an psychatrischen Erkrankungen, wie Demenz, leidet, beseitigen [2, 3, 4].

Zusatz: Die Bankvollmacht

Eine separate Bankvollmacht wird empfohlen, um bürokratische Probleme im Vorfeld zu vermeiden. Hierfür ist bei einem Termin bei der Bank nur die Identifikation mittels Personalausweises bzw. Reisepasses notwendig [1].

Wie erstelle ich die Vorsorgevollmacht?

Für die Erstellung einer Vorsorgevollmacht empfiehlt sich eine rechtliche Beratung, beispielsweise durch einen Rechtsanwalt. Vorsorgevollmachten sind grob gesehen eine Ansammlung von Vollmachten, die in sämtlichen Fällen eine Vertretung ermöglichen. Inhalte sind sowohl Vermögensangelegenheiten, als auch persönliche Angelegenheiten. Den Umfang können Sie frei bestimmen [4].

Um Missbrauch zu vermeiden, sollen ausschließlich Personen bevollmächtigt werden, zu denen ein großes Vertrauensverhältnis besteht. Aber selbst dann lassen sich noch weitere Vorkehrungen treffen. Bei Vorsorgevollmachten lässt sich eine Kontrollbetreuung (nach §1896 Abs. 3 BGB) durchführen. Diese kontrolliert sämtliche Geschäfte des Bevollmächtigten auf Missbrauch und kann gegebenenfalls eingreifen [3]. Ebenfalls können Sie die Vollmacht in verschiedenen Bereichen auf ein Maximum begrenzen (z.B. ein Maximum an Geld, das abgehoben werden kann) [1].

Eine weitere Kontrollmöglichkeit ist das ernennen mehrerer Bevollmächtigten. Dafür ist ein Gespräch mit einem Fachexperten jedoch unbedingt ratsam. Wichtig ist auch zu entscheiden, ob die Aussage der Bevollmächtigten die gleiche Gewichtung hat, oder ob die Aussage eines Bevollmächtigten einen größeren Wert besitzt [1].

Die Broschüre “Betreuungsrecht- Mit ausführlichen Informationen zur Vorsorgevollmacht” liefert weiterführende Informationen. Dort findet sich auch eine Vorlage für die Vorsorgevollmacht. Zudem finden sich in der Broschüre auch Informationen über weitere Dokumente zur Vorsorge, wie die Patientenverfügung.

Einen guten Überblick über die Erstellung von Vollmachten und auch über Rechte und Verpflichtungen des Bevollmächtigten finden Sie in der Broschüre “Die Vorsorgevollmacht- Was darf der Bevollmächtigte? ” des bayrischen Staatsministeriums der Justiz.

Wie kann ich die Vorsorgevollmacht aufbewahren?

Die Hinterlegung der Vorsorgevollmacht gestaltet sich ähnlich wie bei anderen Vorsorgedokumenten. Empfehlenswert ist eine Lagerung aller wichtigen Dokumente in einem Ordner an einer gut einsehbaren Stelle zu Hause. Dabei muss der Zugang für andere Beteiligte, wie den Bevollmächtigten, sichergestellt werden.

Eine weitere Möglichkeit zur Hinterlegung bietet das zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer. Dadurch wird sichergestellt, dass die Vorsorgevollmacht durch Betreuungsgerichte schnell gefunden werden kann [1].

Wie kann ich eine Vorsorgevollmacht widerrufen?

Die Vorsorgevollmacht kann formfrei widerrufen werden. Das kann durch Sie als Vollmachtgeber, den Bevollmächtigten oder in Fall Ihres Todes auch durch den Erben geschehen (falls die Vollmacht über den Tod hinaus geht). Falls Sie eine neue Vollmacht erstellen, vernichten Sie vorhandene alte Vormachten. Erstellen Sie ebenfalls Kopien, welche Sie an andere Personen weitergeben können.

Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung: Wann ist welches Dokument sinnvoller?

Eine Vorsorgevollmacht bietet sich fast immer an, wenn man eine geeignete Vertrauensperson besitzt, die die Aufgabe eines Bevollmächtigten übernehmen kann. Oftmals ist dies ein nahestehender Familienangehöriger der diese Aufgabe übernimmt. Generell ist in solchen Situationen immer die Vorsorgevollmacht der Betreuungsverfügung vorzuzuehen. Die Betreuungsverfügung ergibt nur dann wirklich Sinn, wenn der Vollmachtgeber niemanden kennt, denn er zum Bevollmächtigten ernennen kann. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Vollmachtgeber keine nahestehenden Familienmitglieder mehr besitzt [2,3].

Weiterführende Artikel

Betreuungsrecht III: Betreuungsverfügung, Betreuungsrecht IV: Generalvollmacht, Gesetzliche Betreuung

Literatur

  1. Knittel. Bernhard. Die Vorsorgevollmacht- Was darf der Bevollmächtigte? Bayrisches Stattsministerium der Justiz über Verlag C. H. Beck. 2019 (5. Auflage).
  2. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Betreuungsrecht- Mit ausführlichen Informationen zur Vorsorgevollmacht. 2020.
  3. Kugelmann, Dieter. Vollmacht- aber sicher. Wie Sie bei der Vermögenssorge richtig vorgehen. Deutsche Hochschule der Polizei. 2015.
  4. Zentrales Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer. Die Vorsorgevollmacht.